Die Milz, ein bohnenförmiges Organ im oberen linken Bauchraum, spielt eine zentrale Rolle im Immunsystem und der Blutzellregulation. Trotz ihrer Bedeutung wird sie oft als „vergessenes Organ“ bezeichnet, da viele Menschen ihre Funktion und mögliche Erkrankungen nicht kennen. Dieser Text liefert eine umfassende Übersicht über die Anatomie, Funktion, häufige Erkrankungen sowie deren Diagnose und Therapie.
1. Anatomie und Funktion der Milz
Die Milz ist etwa 12 cm lang, wiegt bei Erwachsenen zwischen 150 und 200 Gramm und befindet sich unterhalb des Zwerchfells, eingebettet zwischen Magen, linker Niere und Dickdarm. Ihre zentrale Blutversorgung erfolgt über die Arteria und Vena lienalis.
Primäre Funktionen:
Blutfilterung: Alte oder beschädigte Erythrozyten und Thrombozyten werden in der roten Pulpa abgebaut.
Immunabwehr: In der weißen Pulpa werden Lymphozyten produziert, die Krankheitserreger bekämpfen.
Blutspeicherung: Die Milz speichert Thrombozyten und kann sie bei Bedarf, etwa bei Blutverlust, freisetzen.
Hämatopoese: Während der Fetalentwicklung ist die Milz an der Blutbildung beteiligt.
Besonderheiten:
- Menschen können ohne Milz leben (Asplenie), jedoch ist das Risiko für Infektionen deutlich erhöht.
- Eine vergrößerte Milz (Splenomegalie) kann auf zahlreiche systemische Erkrankungen hinweisen.
2. Häufige Milzerkrankungen
Splenomegalie (Milzvergrößerung)
Die Splenomegalie ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom verschiedener zugrunde liegender Erkrankungen.
Ursachen:
Infektionen:
Virale (z. B. Epstein-Barr-Virus, Hepatitis C)
Bakterielle (z. B. Endokarditis, Tuberkulose)
Parasitär (z. B. Malaria, Leishmaniose)
Hämatologische Erkrankungen:
Leukämien und Lymphome (z. B. Morbus Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphom)
Myeloproliferative Erkrankungen (z. B. Polycythaemia vera)
Hämolytische Anämien (z. B. Sichelzellanämie)
Stoffwechselerkrankungen:
Morbus Gaucher, Morbus Niemann-Pick
Lebererkrankungen:
Portale Hypertension durch Leberzirrhose
Autoimmunerkrankungen:
Systemischer Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis.
Symptome:
- Druckgefühl oder Schmerzen im linken Oberbauch
- Sättigungsgefühl durch Mageneinengung
- Anämie, Thrombozytopenie, oder Leukopenie bei gesteigertem Zellenbau
Diagnostik:
Klinische Untersuchung: Palpation und Perkussion
Bildgebung: Sonographie, CT, MRT
Laboruntersuchungen: Blutbild, Entzündungsparameter, spezifische Marker
Therapie:
Die Behandlung richtet sich nach der Grunderkrankung. Eine Splenektomie (Entfernung der Milz) ist nur bei therapierefraktären Fällen indiziert.
Asplenie und Hyposplenie
Eine fehlende oder eingeschränkte Milzfunktion kann angeboren oder erworben sein.
Ursachen:
- Angeboren (z. B. Ivemark-Syndrom)
- Operative Entfernung (Splenektomie)
- Funktionelle Asplenie (z. B. Sichelzellanämie, Autoimmunerkrankungen)
Komplikationen:
Erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Infektionen, insbesondere durch kapseltragende Bakterien (z. B. Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis).
OPSI-Syndrom (Overwhelming Post-Splenectomy Infection): Eine fulminante Sepsis mit hoher Mortalität.
Prävention:
- Impfung gegen Pneumokokken, Meningokokken und Haemophilus influenzae
- Prophylaktische Antibiotikagabe bei Infektionsrisiko
- Regelmäßige medizinische Kontrollen
Milzruptur
Die Milzruptur ist eine gefährliche, oft lebensbedrohliche Verletzung, die meist durch stumpfe Traumata verursacht wird.
Ursachen:
- Verkehrsunfälle
- Stürze
- Sportverletzungen
- Selten: Spontanrupturen bei Splenomegalie oder Gerinnungsstörungen
Symptome:
- Akute Schmerzen im linken Oberbauch, eventuell mit Ausstrahlung in die linke Schulter (Kehr-Zeichen)
- Hypotonie, Tachykardie und Zeichen eines hämorrhagischen Schocks
- Peritonitis bei intraperitonealer Blutung
Diagnostik:
Sonographie (FAST): Nachweis von freier Flüssigkeit im Bauchraum
CT: Goldstandard zur Beurteilung von Milzverletzungen
Klinik: Hämodynamische Stabilität des Patienten
Therapie:
- Konservative Behandlung bei stabilen Patienten
- Operative Therapie (Splenektomie oder organerhaltende Verfahren) bei schweren Rupturen oder instabiler Hämodynamik
Milzinfarkte
Ein Milzinfarkt tritt auf, wenn die Durchblutung des Organs durch Gefäßverschlüsse beeinträchtigt wird.
Ursachen:
- Embolien (z. B. bei Vorhofflimmern, Endokarditis)
- Thrombosen (z. B. bei myeloproliferativen Neoplasien)
- Sichelzellanämie
- Trauma oder vaskuläre Anomalien
Symptome:
- Akute, stechende Schmerzen im linken Oberbauch
- Fieber, Übelkeit, Erbrechen
- Leukozytose und erhöhte Entzündungsmarker
Diagnostik:
- Bildgebung: Sonographie, CT oder MRT
- Labor: Ausschluss systemischer Ursachen
Therapie:
- Analgesie
- Behandlung der Grunderkrankung
- Selten operative Intervention bei Komplikationen wie Abszessen
Milzabszesse
Milzabszesse sind selten, aber potenziell lebensgefährlich.
Ursachen:
- Hämatogene Streuung bei bakteriellen Infektionen
- Direkte Ausbreitung von benachbarten Infektionen
- Trauma oder Milzinfarkte als prädisponierende Faktoren
Symptome:
- Fieber, Schüttelfrost
- Schmerzen im linken Oberbauch
- Allgemeinsymptome wie Schwäche und Gewichtsverlust
Diagnostik:
- Sonographie und CT: Darstellung des Abszesses
- Blutkulturen: Nachweis von Erregern
Therapie:
- Antibiotische Therapie
- Eventuell Abszessdrainage oder Splenektomie
Zysten und Tumore
Milzzysten:
- Angeborene oder erworbene Zysten, meist asymptomatisch.
- Therapie nur bei Komplikationen oder großen Zysten.
Tumore:
- Primäre Milztumore (selten): Lymphome, Angiosarkome
- Sekundäre Tumore: Metastasen bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen
- Therapie abhängig von Art und Ausbreitung des Tumors.
3. Diagnostische Verfahren
Klinische Untersuchung:
- Palpation und Perkussion des linken Oberbauchs
- Zeichen einer Splenomegalie oder Peritonitis
Bildgebung:
- Sonographie: Erstes Mittel der Wahl
- CT und MRT: Detaillierte Darstellung von Strukturveränderungen
- PET-CT: Bei Verdacht auf maligne Tumore
Labordiagnostik:
- Blutbild (Anämie, Leuko- und Thrombozytopenie)
- Entzündungsmarker (CRP, Prokalzitonin)
- Spezifische Tests bei Infektionen oder Autoimmunerkrankungen
Invasive Verfahren:
- Feinnadelaspiration oder Biopsie bei Verdacht auf Tumore oder Abszesse
4. Therapeutische Ansätze
Konservative Therapie:
- Medikamentöse Behandlung der Grunderkrankung
- Schmerz- und Fiebermanagement
- Antibiotika bei Infektionen
Interventionelle Verfahren:
- Abszessdrainage unter sonographischer oder CT-Kontrolle
- Embolisation bei Blutungen oder Gefäßanomalien
Operative Therapie:
Splenektomie: Indiziert bei irreparablen Verletzungen, schweren Erkrankungen oder therapierefraktärer Splenomegalie
Organerhaltende Verfahren: Bevorzugt bei jungen Patienten
5. Prävention und Langzeitbetreuung
Präventionsstrategien:
- Impfungen gegen Pneumokokken, Meningokokken und Haemophilus influenzae
- Prophylaktische Antibiotika bei Splenektomie oder Hyposplenie
- Früherkennung und Behandlung von Infektionskrankheiten
Langzeitbetreuung nach Splenektomie:
- Regelmäßige Impfauffrischungen
- Engmaschige ärztliche Kontrollen
- Schulung des Patienten zur Infektionsprävention
Zusammenfassung
Milzerkrankungen umfassen ein breites Spektrum, von Infektionen und Verletzungen bis hin zu immunologischen und onkologischen Erkrankungen. Eine frühzeitige Diagnose und gezielte Therapie sind entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden. Trotz ihrer Fähigkeit, ihre Funktionen teilweise zu kompensieren, ist der Erhalt der Milz bei der Behandlung stets vorrangig, wo immer es möglich ist. Ein interdisziplinärer Ansatz, der die Zusammenarbeit von Internisten, Chirurgen, Hämatologen und Radiologen einbezieht, verbessert die Prognose und Lebensqualität der Betroffenen erheblich.
Bitte beachten Sie, dass dieser Bericht keinen Arztbesuch ersetzt!
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Literaturangaben
„Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie, Band 48, Nr. 4, Seiten 201-209, 2023
„Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, Band 74, Nr. 2, Seiten 67-74, 2023.
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