Gähnen bei einem Kleinkind

Gähnen – Warum ist das ansteckend?

Gähnen ist eine Handlung, die uns oft in den unpassendsten Momenten überrascht. Obwohl es in der Regel als Zeichen von Müdigkeit oder Langeweile betrachtet wird, ist es ein weit komplexerer Prozess. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass Gähnen ansteckend ist. Das ist eine Beobachtung, die seit Jahrhunderten Menschen und Wissenschaftler gleichermaßen fasziniert. Aber warum ist es so ansteckend? In diesem Artikel werden Sie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse erfahren.

Historischer Kontext und frühe Theorien über das Gähnen

Schon in der Antike wurde das Gähnen untersucht. Aristoteles glaubte, dass es dem Körper dabei hilft, überschüssige Wärme loszuwerden. In der Neuzeit entwickelte sich die Forschung weiter, und man stellte fest, dass dieses Phänomen nicht nur bei Menschen, sondern auch bei vielen Tieren auftritt. Darunter Hunde, Schimpansen und sogar Vögel.

Das Gähnen ansteckend ist, ist nicht neu. Bereits 1685 beschrieb der Philosoph Robert Hooke, wie Menschen unwillkürlich gähnen, wenn sie andere dabei beobachten. Trotz dieser frühen Beobachtungen blieb das Phänomen lange Zeit weitgehend unerforscht.

Neurowissenschaftliche Perspektiven

Mit dem Aufkommen der modernen Neurowissenschaften konnten Forscher tiefer in die Mechanismen eintauchen. Studien haben gezeigt, dass Gähnen mit der Aktivität bestimmter Hirnregionen zusammenhängt. Das sind besonders der präfrontale Kortex und der Hypothalamus. Diese Regionen sind an der Regulation von Erregung und Wachsamkeit beteiligt.

Eine bahnbrechende Studie aus dem Jahr 2005 von Platek et al. zeigte, dass das Betrachten von Videos gähnender Menschen bestimmte Bereiche des Gehirns aktiviert, die mit Empathie und sozialer Kognition in Verbindung stehen. Dies könnte darauf hindeuten, dass ansteckendes Gähnen eine Form der sozialen Bindung und des empathischen Verhaltens ist.

Gähnen ist oft ansteckend
Gähnen ist oft ansteckend

Spiegelneuronen – Der Schlüssel zur Ansteckung?

Ein zentrales Konzept zur Erklärung der Ansteckung von Gähnen ist die Theorie der Spiegelneuronen. Diese speziellen Neuronen feuern sowohl, wenn wir eine Handlung selbst ausführen, als auch, wenn wir jemand anderen dabei beobachten. Im Kontext bedeutet dies, dass das Beobachten eines gähnenden Menschen unsere eigenen Spiegelneuronen aktiviert und uns zum Nachahmen bringt.

Die Rolle der Spiegelneuronen wurde durch mehrere Studien unterstützt. Beispielsweise fand eine Untersuchung von Schürmann et al. (2005) heraus, dass die gleichen Gehirnregionen aktiviert werden, wenn Menschen gähnen und wenn sie andere dabei beobachten. Diese Entdeckung legt nahe, dass Spiegelneuronen eine zentrale Rolle bei der Übertragung spielen.

Sozial-kognitive Aspekte

Das ansteckende Gähnen könnte auch tiefere Wurzeln in unserer sozialen Natur haben. Es wird angenommen, dass es eine Form der nonverbalen Kommunikation ist, die dazu dient, Gruppenkohäsion zu fördern. In sozialen Gruppen könnte das gleichzeitige Gähnen dazu beitragen, den Schlaf-Wach-Rhythmus zu synchronisieren und so das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.

Eine interessante Studie von Norscia und Palagi (2011) untersuchte das Gähnen bei verschiedenen sozialen Tieren. Er fand heraus, dass es besonders ansteckend in eng verbundenen Gruppen ist. Dies unterstützt die Idee, dass das Gähnen eine Form der sozialen Bindung darstellt.

Ist das Gähnen Empathie und emotionale Ansteckung?

Ein weiterer wichtiger Faktor, der das ansteckende Gähnen erklärt, ist die Empathie. Menschen mit höherer Empathiefähigkeit neigen dazu, häufiger von Gähnen angesteckt zu werden. Dies wurde in einer Studie von Rundle et al. (2015) bestätigt, die zeigte, dass Personen, die in Empathie-Tests hohe Punktzahlen erzielten, anfälliger für ansteckendes Gähnen waren.

Darüber hinaus wurde festgestellt, dass bestimmte psychische und neurologische Bedingungen die Anfälligkeit für ansteckendes Gähnen beeinflussen können. Personen mit Autismus beispielsweise, die oft Schwierigkeiten mit sozialer Interaktion und Empathie haben, zeigen seltener ansteckendes Gähnen.

Evolutionäre Perspektiven

Warum hat sich das Gähnen als ansteckend entwickelt? Eine mögliche Erklärung ist, dass es evolutionäre Vorteile bietet. In Gruppen von Tieren könnte das gleichzeitige Gähnen als Signal dienen, das Aufmerksamkeit und Wachsamkeit erhöht. Dies könnte besonders in gefährlichen Situationen von Vorteil sein, in denen eine schnelle Reaktion der gesamten Gruppe erforderlich ist.

Eine weitere Theorie besagt, dass das Gähnen ursprünglich als Mittel zur Abkühlung des Gehirns diente. Da Gähnen oft mit einem tiefen Atemzug verbunden ist, könnte es helfen, das Gehirn mit frischem Sauerstoff zu versorgen und so die geistige Leistungsfähigkeit zu verbessern. Die Ansteckung des Gähnens könnte daher ein Mechanismus sein, um die kognitive Funktion innerhalb einer Gruppe zu optimieren.

Zusammenfassung

Das Phänomen des ansteckenden Gähnens ist ein bemerkenswerter Beweis für die Komplexität menschlichen Verhaltens und die tiefen Verbindungen, die unser Gehirn und unsere sozialen Interaktionen formen. Durch die Erforschung dieses alltäglichen, aber dennoch faszinierenden Verhaltens können wir wertvolle Einblicke in die Funktionsweise unseres Gehirns und die Grundlagen unserer sozialen Bindungen gewinnen. Die Studien von Platek et al., Schürmann et al. und Norscia & Palagi bieten dabei entscheidende wissenschaftliche Grundlagen, die unser Verständnis dieses Phänomens erweitern.

Sogar Vögel können gähnen
Sogar Vögel können gähnen

Wissenschaftliche Studien

Studie 1: Platek et al. (2005)

Diese Studie untersuchte die neuronalen Grundlagen des ansteckenden Gähnens und fand heraus, dass das Betrachten von Videos gähnender Menschen zu einer erhöhten Aktivität in Bereichen des Gehirns führt, die mit Empathie und sozialer Kognition verbunden sind. 

Platek, S. M., Critton, S. R., Myers, T. E., & Gallup, G. G. (2005). Contagious yawning: the role of self-awareness and mental state attribution. Cognitive Brain Research, 23(2-3), 448-452.

Studie 2: Schürmann et al. (2005)

Diese Untersuchung zeigte, dass die gleichen Gehirnregionen aktiviert werden, wenn Menschen gähnen und wenn sie andere beim Gähnen beobachten, was die Rolle der Spiegelneuronen bei der Übertragung des Gähnens unterstützt. 

Schürmann, M., Hesse, M. D., Stephan, K. E., Saarela, M., Zilles, K., Hari, R., & Fink, G. R. (2005). Yearning to yawn: the neural basis of contagious yawning. NeuroImage, 24(4), 1260-1264.

Studie 3: Norscia & Palagi (2011)

Diese Studie untersuchte das Gähnen bei verschiedenen sozialen Tieren und fand heraus, dass Gähnen besonders ansteckend in eng verbundenen Gruppen ist, was die Theorie unterstützt, dass das Gähnen eine Form der sozialen Bindung darstellt. 

Norscia, I., & Palagi, E. (2011). Yawn contagion and empathy in Homo sapiens. PLoS ONE, 6(12), e28472.

Bitte beachten Sie, dass dieser Bericht keinen Arztbesuch ersetzt!

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Literaturangaben
„Platek, S. M., Critton, S. R., Myers, T. E., & Gallup, G. G. (2005). Contagious yawning: the role of self-awareness and mental state attribution. Cognitive Brain Research, 23(2-3), 448-452.
„Schürmann, M., Hesse, M. D., Stephan, K. E., Saarela, M., Zilles, K., Hari, R., & Fink, G. R. (2005). Yearning to yawn: the neural basis of contagious yawning. NeuroImage, 24(4), 1260-1264.
„Norscia, I., & Palagi, E. (2011). Yawn contagion and empathy in Homo sapiens. PLoS ONE, 6(12), e28472.